Wanderung an der Nordostküste Mallorcas – mit Hindernissen

Lange habe ich das Wandern belächelt. Ausstaffiert mit den tollsten High-Tech-Klamotten und Gehstöcken, laufen Wanderer – oft fortgeschrittenen Alters – durch die Gegend und fühlen sich ganz großartig. Oder so ähnlich. Ich bin ein Jogger. Irgendwie war Wandern für mich immer eine langweilige Angelegenheit und definitiv keine Alternative zum Laufen, vielleicht auch wegen meiner Vorurteile gegen Wanderer.

Außerdem kann man sich beim Wandern ja nicht so richtig auspowern. Denkste! Als vor einigen Jahren Knie und Gelenke anfingen rumzuzicken und ich eine Jogging-Pause einlegen musste, versuchte ich es mal mit Wandern. Irgendwie muss man sich ja an der frischen Luft bewegen. Nur Fitnessstudio geht nicht. Also ab dafür.

Meine erste Wanderrunde führte mich um einen Stausee im Bergischen Land in Nordrhein-Westfalen. Es war total entspannend. Ich begegnete kaum einem Menschen, konnte toll abschalten und abends war ich überraschenderweise ziemlich kaputt. So leckte ich Blut.

Wandern auf Mallorca

Seitdem versuche ich, regelmäßig zu wandern. Was mir natürlich nur leidlich gelingt. Auf Mallorca ist es für mich allerdings ein Muss! Die Insel ist ein Traum für Wanderer. Egal was man sucht – lange, flache Wanderungen oder steile Touren durchs Gebirge – man wird immer fündig. Und da ich dieses Jahr in der komfortablen Lage war, auf Mallorca zu überwintern, habe ich mir erst einmal einen Wanderführer angeschafft.

Der ist aus mehreren Gründen unerlässlich. Zum einen gibt es wirklich ziemlich gottverlassene Gegenden auf der Insel. Das überrascht Touristen immer wieder – ja, auch mich! Aber es ist tatsächlich so. Man kann irrsinnig gut stundenlang irgendwo entlangwandern und niemandem begegnen – sogar im Sommer.

Und gerade in den Bergen gibt es auch nicht ganz ungefährliche Strecken, die man unter keinen Umständen alleine wandern sollte.

Außerdem ist fast die komplette Insel in Privatbesitz. Man kann also nicht einfach querfeldein laufen. Die Großgrundbesitzer sind allerdings gezwungen, das Durchqueren ihrer Grundstücke zu ermöglichen und auch die Küste muss für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Insofern gibt es fast überall tolle Wanderwege, man muss nur herausfinden, wie sie verlaufen.

Und es gibt noch einen Grund, einen Wanderführer mit möglichst detaillierter Karte zu kaufen: Viele Landbesitzer und Anwohner entfernen gerne mal die Beschilderung. Laut Aussage meiner Freundin Aina, die ja selber Einheimische ist, haben ganz viele nämlich überhaupt keine Lust auf Horden von Touristen, die über ihre Grundstücke latschen.

Die schönsten Buchten der Insel – der Nordosten

Nun, ich war gewappnet und hatte mich für eine lange Tour am äußeren Nordwestzipfel der Insel entschieden. Startpunkt war der kleine Ort Cala Mesquida, nordöstlich von Artà. Im Sommer ist die Gegend recht touristisch, im Winter dagegen nahezu ausgestorben. Perfekt für mich, da ich es liebe, mehrere Stunden allein in der Natur unterwegs zu sein. Sonntagvormittag um 11 ging es los – in Begleitung von Frank Zappa, dem Hund von Ainas Eltern. In Cala Mesquida angekommen, parkten wir unser Auto und gingen direkt in Richtung Küste.

Wenn man der Avenida Marina folgt, landet man am Ende auf einem Weg, der sich direkt an der Küste entlangzieht. Am Ende des Weges steht ein kleiner Holzpfosten, der auf einen Wanderweg hinweist. Dieser Schotterweg führt nach einem ersten steilen Anstieg zur Cala Torta, einer kleinen Bucht mit herrlichem Sandstrand. Nach einer weiteren Klettertour über schmale Geröllpfade gelangt man zur nächsten Bucht, der Cala Mitjana. Und so geht es immer weiter, von Bucht zu Bucht zu Bucht – über die Cala Estreta, Cala Dentol und Cala Matzoc bis zum Torre d´Albarca, einem alten Wehrturm.

Für Franki und mich der perfekte Platz für unsere erste Pause. Mit einem kleinen Snack und der tollen Aussicht vom Turm über die Küste stärkten wir uns für den weiteren Weg. Denn der sollte noch unerwartet lang werden.

Rückweg mit Hindernissen

Nach der Pause – wir hatten gerade erst viereinhalb Kilometer zurückgelegt – ging es weiter zum Strand S´Arenalet des Verger, noch einmal rund drei Kilometer. Das ist auch der Wendepunkt der Route. In den Sommermonaten gibt es oberhalb des Strandes eine Unterkunft für Wanderer und die Möglichkeit sich zu erfrischen. Franki und ich standen jedoch vor verschlossenen Türen. Aber wir hatten ja noch Proviant. Noch ein kleiner Snack, und ab zurück. Bis zum Strand Sa Font Salada ist der Rückweg der gleiche. Dann geht es etwa einen Kilometer durchs Landesinnere über enge Landstraßen mit alten Pinien zum Torre d´Albarca. Von dort aus noch einmal entlang der Küste bis zur Cala Mitjana. Dann folgt man wieder einem ausgebauten Fahrweg ins Landesinnere.

Franki und ich wanderten vor uns hin und genossen die Landschaft. Mittlerweile waren wir rund fünf Stunden unterwegs und hatten fünfzehn Kilometer zurückgelegt. Ich freute mich schon auf unser Auto, warme Sachen und einen kräftigen Schluck Wasser. Mittlerweile waren nämlich unsere Vorräte verbraucht und die Sonne ging unter.

Von Minute zu Minute wurde es kühler. So langsam reichte es mir. Aber irgendwie kam der Ort einfach nicht in Sicht. Ich schaute auf die Karte aus meinem Wanderführer. Nicht besonders detailliert das Ding. Jedoch detailliert genug, um festzustellen, dass wir uns verlaufen hatten! Schild nicht gesehen? Oder abgebaut? Keine Ahnung! Kaum Handyempfang … Und jetzt?!

Leichte Panik zog auf: Eine Nachwanderung im gottverlassenen Nordosten der Insel auf völlig unbeleuchteten Landstraßen bei doch ziemlich eisigen nächtlichen Temperaturen … nicht ganz ungefährlich. Ich fühlte mich ziemlich verloren und dachte über meine Möglichkeiten nach. Laufen? Ich wusste ja nicht einmal, wo genau wir waren. Allerdings war mir klar, dass ich mich in der letzten Stunde vom Auto wegbewegt hatte. Franki und ich also noch mindestens ein bis zwei Stunden durch die Dunkelheit würden laufen müssen. Dann viel mir ein, dass ich zuvor an der Cala Mitjana Menschen gesehen hatte (die ersten und einzigen des ganzen Tages), die in der Bucht den Sonnenuntergang bewundert hatten. Ich lief also zur Landstraße in der Hoffnung, dort auf ein Auto zu treffen. Franki und ich hatten tatsächlich Glück: Kurze Zeit später stoppten wir das nächstbeste Auto. Mit meinen wenigen Worten Spanisch erklärte ich dem jungen Paar im Auto mein Problem. Anfangs wollten sie mir den Weg nach Cala Mesquida beschreiben, das gestaltete sich aber schwierig und außerdem ging ihnen dann auf, dass der Hund und ich noch eine ganze Weile würden laufen müssen.

Schließlich erbarmten sie sich und fuhren uns zu unserem Auto. So langsam wurde mir wieder warm, der Hund schlief völlig erschöpft zu meinen Füßen. Dort angekommen bedankte ich mich überschwänglich und wollte noch Spritgeld zurücklassen. Meine neuen mallorquinischen Freunde lehnten dies jedoch entschieden ab. Mittlerweile war es etwa 18:30 Uhr. Völlig fertig fuhren Franki und ich zurück zu Aina und ihrer Familie.

Trotz dieses etwas ungeschickten Endes unserer Wanderung, kann ich die Tour jedem empfehlen, der einen ausgedehnten Ausflug entlang der Küste unternehmen will. Ein Teil der Strecke geht auch über den GR 222 – den zweiten Weitwanderweg Mallorcas. An diesem Tag legten wir rund achtzehn Kilometer in fünfeinhalb Stunden zurück. Nehmt also ausreichend Vorräte mit. Und achtet auf den Rückweg!

Ich bin übrigens immer dankbar für Tipps und Vorschläge. Falls Ihr also auf Mallorca oder woanders gute Touren kennt, würde ich mich sehr über Eure Nachricht freuen.

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